Warum wir den Therapie-Finder für Patienten entwickeln.

Interview mit

Dr. Reiner Lehmann

Dr. Lehmann, Sie haben gemeinsam mit vier Partnern ein gemeinnütziges Unternehmen gegründet – die DontBePatient gGmbH – um ein Onlineangebot für Patienten zu schaffen. Was hat Sie dazu bewogen?

In meiner nächsten Familie gab es einen Fall von Brustkrebs bei einer jungen Frau. Mit 36 Jahren ertastete sie beim Stillen Ihres zweiten Kindes einen Tumor. Abstillen, Diagnostik und dann volles Programm – junge Frau, drei einzelne Tumorherde in einer Brust, die andere Brust nicht vollständig sicher gesund – das bedeutet „high risk“ und damit Therapie aus allen Rohren. Brustentfernung, Chemotherapie, weitere Chemotherapie, körperliches und seelisches Leid und dazu der Druck, mit zwei kleinen Kindern. Der Partner musste schließlich den Job wechseln, um besser unterstützen zu können, und damit kommt auch noch Einkommensverlust dazu.

Tapfere Frau die sie ist, hat sie sich durch alles durchgekämpft. Und zu allem unabwendbaren Elend kommen dann die Extras – Kampf mit der Krankenkasse um Erstattungen von Leistungen, Wegfall der Lohnfortzahlung, etc.

Für mich war es das erste Mal, das aus der Nähe zu erleben und zu sehen, wie wir als Gesellschaft versagen, den Menschen, neben der Spitzenmedizin, die es bei uns gibt, auch Spitzen-Betreuung auf emotionaler Basis anzubieten.

In den darauf folgenden Gesprächen mit Betroffenen, Patientenvertretern und Spezialisten wurde klar, wie sehr eine neutrale Plattform zur Vernetzung untereinander, zur Stärkung der Kompetenz und vor allem zur Begleitung durch den Prozess, fehlt.

Von der Beobachtung, was fehlt, zu einer Lösung ist es großer Schritt – wie sind Sie das Thema angegangen und wie soll es weitergehen?

In Wirklichkeit sind es viele kleine Schritte – und der erste ist der wichtigste! Für mich war schnell klar, dass wir es schaffen müssen, ciuro in der Mitte der Gesellschaft zu positionieren. Am Thema Krebs haben viele Institutionen einen Anteil und Ihre jeweils spezifischen Interessen, die auch überwiegend berechtigt sind. Also haben wir angefangen, ein Modell zu finden, dass in jeder Funktion auf den Patienten zugeschnitten ist – nur diese Perspektive entscheidet über Themen, Partner und Darstellung von Informationen. Jeder, der diesen patientenzentrierten Ansatz unterstützen will, ist als Partner willkommen. Also tasten wir uns vor und integrieren all das, was uns wichtig erscheint und dem Patienten nützt – im Zweifel fragen wir Patienten.

Wie wird sich ciuro finanzieren um sich langfristig unabhängig zu entwickeln?

Unser Ansatz ist dieser: ciuro ist eine Aufgabe für uns alle. Für die Gründungsphase steckt erstmal eigenes Geld darin. Dies haben wir für die Zusammenstellung der Werkzeuge genutzt, mit denen wir Unterstützer und Geld sammeln können. Dabei ist der wichtigste Schritt ein Crowdfunding – einerseits, um die notwendige Basisinfrastruktur schaffen zu können, aber auch , weil es uns legitimiert. Wenn einige tausend Menschen uns Unterstützung zusagen und spenden, schafft das die Basis, um Großspender und Stifter um Engagement zu bitten – es ist der Beweis, dass dieses Projekt notwendig ist.

Eine gemeinnützige GmbH ist, anders als eine Stiftung, zu Geschäftsaktivitäten berechtigt. Warum haben Sie sich für diese Gesellschaftsform entschieden?

Wir denken sehr langfristig und glauben daran, dass diese Community nur dann unabhängig stabil weiterentwickelt werden kann, wenn wir die gemeinnützige Arbeit nachhaltig finanzieren können.

Ob das über Zuwendungen und Spenden geht, werden wir sehen. Wir sehen durch Positionierung als Non-Profit Unternehmen die Möglichkeit, Einnahmen zu erzielen, in dem wir zum Beispiel mit unseren Mitgliedern Informationen generieren, die eine zielgerichtetere Forschung ermöglichen – durch Befragung von Patienten zu Ihren Lebens- und Krankheitsumständen oder durch die Abgabe von Blut- und Gewebeproben. Klar ist, dass solche Aktivitäten immer als Projekt laufen, die Teilnahme freiwillig ist und niemals Daten aus der regulären Interaktion auf ciuro.net in irgendeiner Form unrechtmäßig Verwendung finden.

Beruflich beschäftige ich mich seit fast 20 Jahren mit dem Thema Entwicklung neuer Therapien. Im Krebsbereich gibt es seit einigen Jahren sehr viele neue Konzepte und darauf basierender Medikamente. Diese müssen alle in wissenschaftlichen Studien erprobt werden – und hier liegt ein Engpass. Die Durchführung von Studien ist für Ärzte und Kliniken sehr aufwändig geworden. Daher ist es fast unmöglich, in einer Klinik, die bisher keine Studien durchgeführt hat, neu damit anzufangen.

Studien sind aber, insbesondere bei wirklich innovativen Ansätzen, für manchen Patienten sehr wertvoll und ggf. lebensverlängernd in Situationen, in denen das Arsenal der zugelassenen Behandlungen erschöpft ist. Ist der Patient an einer forschungsaktiven Klinik in Behandlung, wird ihm diese Option angeboten werden. Aber nicht jeder Patient ist mit einer solchen Institution in Kontakt und damit steht dem Patienten diese Option und nicht offen und andererseits fehlt der Patient auch als möglicher Studienteilnehmer.

Langfristig möchten wir allen Patienten die Möglichkeit eröffnen, sich zu diesem Thema zu informieren und eine informierte Entscheidung zu treffen, ob das für sie in Frage kommt. Sollten sich durch diesen Prozess die Teilnehmerzahlen für Forschungsstudien erhöhen, spart dass den Institutionen wie auch der forschenden Industrie viel Zeit und damit Geld – und davon soll ein Teil für den Betrieb unserer Community eingeworben werden.

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ciuro – Mein Begleiter durch den Krebs.